Die Sauerstoffkonzentration in den Gewässern unseres Planeten nimmt rapide und dramatisch ab – von Teichen bis zum Ozean. Der fortschreitende Sauerstoffverlust bedroht nicht nur Ökosysteme, sondern auch die Lebensgrundlage großer Teile der Gesellschaft und des gesamten Planeten, so die Autoren einer internationalen Studie unter Beteiligung des GEOMAR, die heute in Nature Ecology & Evolution veröffentlicht wurde.
Sie fordern, den Sauerstoffverlust in Gewässern als eine weitere planetare Belastungsgrenze anzuerkennen, um globales Monitoring, Forschung und politische Maßnahmen zu fokussieren.
Sauerstoff ist eine Grundvoraussetzung für das Leben auf der Erde. Der Verlust von Sauerstoff im Wasser, auch aquatische Sauerstoffmangel genannt, bedroht das Leben auf allen Ebenen. Das internationale Forscherteam beschreibt, wie der anhaltende Sauerstoffmangel eine große Bedrohung für die Lebensgrundlage großer Teile der Gesellschaft und die Stabilität des Lebens auf unserem Planeten darstellt.
Frühere Forschungen haben eine Reihe globaler Prozesse identifiziert, die als planetare Grenzen bezeichnet werden und die allgemeine Bewohnbarkeit und Stabilität des Planeten regulieren. Werden kritische Schwellenwerte in diesen Prozessen überschritten, steigt das Risiko großflächiger, abrupter oder irreversibler Umweltveränderungen („Kipppunkte“) und die Widerstandsfähigkeit unseres Planeten, seine Stabilität, ist gefährdet.
Zu den neun planetaren Belastungsgrenzen zählen der Klimawandel, Landnutzungsänderungen und der Verlust der Artenvielfalt. Die Autoren der neuen Studie argumentieren, dass der Sauerstoffmangel im Wasser sowohl auf andere Prozesse der planetaren Belastungsgrenzen reagiert als auch diese reguliert.
„Es ist wichtig, den Sauerstoffmangel in Gewässern in die Liste der planetaren Belastungsgrenzen aufzunehmen“, sagte Professor Dr. Rose vom Rensselaer Polytechnic Institute in Troy, New York, Hauptautor der Veröffentlichung. „Dies wird dazu beitragen, globale Überwachungs-, Forschungs- und Politikbemühungen zu unterstützen und zu fokussieren, um unseren aquatischen Ökosystemen und damit der Gesellschaft insgesamt zu helfen.“
In allen aquatischen Ökosystemen – von Bächen und Flüssen, Seen, Stauseen und Teichen bis hin zu Flussmündungen, Küsten und dem offenen Meer – ist die Konzentration des gelösten Sauerstoffs in den letzten Jahrzehnten rapide und erheblich zurückgegangen.
Seen und Stauseen haben seit 1980 einen Sauerstoffverlust von 5,5 % bzw. 18,6 % erlitten. Der Sauerstoffverlust im Ozean betrug seit 1960 etwa 2 %. Obwohl diese Zahl gering erscheint, stellt sie aufgrund des großen Ozeanvolumens einen erheblichen Sauerstoffverlust dar.
Auch marine Ökosysteme weisen erhebliche Schwankungen im Sauerstoffmangel auf. So haben beispielsweise die Mittelgewässer vor Zentralkalifornien in den letzten Jahrzehnten 40 % ihres Sauerstoffs verloren. Das Volumen der von Sauerstoffmangel betroffenen aquatischen Ökosysteme hat in allen Bereichen dramatisch zugenommen.
„Ursachen des Sauerstoffverlusts in Gewässern sind die globale Erwärmung durch Treibhausgasemissionen und der Eintrag von Nährstoffen durch die Landnutzung“, sagt Co-Autor Dr. Andreas Oschlies, Professor für Marine Biogeochemische Modellierung am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
„Steigen die Wassertemperaturen, sinkt die Löslichkeit von Sauerstoff im Wasser. Zudem verstärkt die globale Erwärmung die Schichtung der Wassersäule, weil wärmeres, salzarmes Wasser mit geringerer Dichte auf dem darunterliegenden kälteren, salzigeren Tiefenwasser liegt.“
„Dies behindert den Austausch der sauerstoffarmen Tiefenschichten mit dem sauerstoffreichen Oberflächenwasser. Zudem fördern Nährstoffeinträge vom Land Algenblüten, die zu einem erhöhten Sauerstoffverbrauch führen, da mehr organisches Material absinkt und in der Tiefe von Mikroben zersetzt wird.“
Bereiche im Meer, in denen so wenig Sauerstoff vorhanden ist, dass Fische, Muscheln oder Krebstiere nicht mehr überleben können, bedrohen nicht nur die Organismen selbst, sondern auch Ökosystemdienstleistungen wie Fischerei, Aquakultur, Tourismus und kulturelle Praktiken.
Durch mikrobiotische Prozesse in sauerstoffarmen Regionen entstehen zudem vermehrt potente Treibhausgase wie Lachgas und Methan, die zu einer weiteren Zunahme der globalen Erwärmung führen können und somit eine wesentliche Ursache für den Sauerstoffmangel sind.
Die Autoren warnen: „Wir nähern uns kritischen Schwellenwerten der Sauerstoffarmut der Gewässer, die letztlich Auswirkungen auf mehrere andere planetare Belastungsgrenzen haben werden.“
Professor Dr. Rose erklärt: „Gelöster Sauerstoff reguliert die Rolle von Meer- und Süßwasser bei der Regulierung des Erdklimas. Die Verbesserung der Sauerstoffkonzentrationen hängt davon ab, die Grundursachen zu bekämpfen, darunter die Klimaerwärmung und der Abfluss aus bebauten Landschaften.“
„Wenn wir uns nicht mit dem Sauerstoffmangel in den Gewässern befassen, wird dies letztlich nicht nur Auswirkungen auf die Ökosysteme haben, sondern auch auf die Wirtschaftstätigkeit und die Gesellschaft auf globaler Ebene.“
Die Entwicklung der Sauerstoffarmut im Wasser ist eine klare Warnung und ein Aufruf zum Handeln. Sie sollte zu Veränderungen anregen, um diese Belastungsgrenze des Planeten zu verlangsamen oder sogar abzumildern.
Sensor für gelösten Sauerstoff in der Wasserqualität
Veröffentlichungszeit: 12. Oktober 2024